Das älteste deutschsprachige Kochbuch der Schweiz und Cervelat
Ein fast fünfhundertjähriges Cervelat-Rezept.
Auf der Suche nach den Anfängen von Cervelat-Rezepten bin ich unter anderem im angeblich ältesten deutschsprachigen Kochbuch der Schweiz fündig geworden. Unter «Scharwillade»
wird beschrieben, welche Zutaten zusammengebracht und in Därme gestopft zur Wurst werden sollen. Der Fleischanteil kam gänzlich vom Schwein. Hinzu kamen Parmesan (!), Weinbeeren (!) und Gewürze (Rosenwasser, wenig gefärbt mit Safran, Zimt, Muskatblüten und Ingwer) sowie Salz. Heute besteht eine Cervelat fleischmässig vor allem aus Rindfleisch und fettmässig aus Speck (Schwein). Gewürzt wird heute mit Pfeffer, Muskatnuss, Koriander, Knoblauch, Nelken, Frischzwiebeln und Salz, und im Gegensatz zu früher, wird die Wurst jetzt vor dem Brühen heiss geräuchert. Daher die hellbraune Tönung der Haut.
A propos ältestes deutschsprachiges Kochbuch der Schweiz: Solche Superlative machen immer etwas misstrauisch, kommen sie doch recht marktschreierisch daher. Völlig unnötigerweise, denn das Buch ist für sich allein eine einmalige Trouvaille, eine historische Sensation gar. Die Quellenlage an historischen Kochbüchern im Allgemeinen und besonders vor 1800 ist recht dürftig. Da wird jeder Fund schnell zum «einzigen» oder «ältesten», obwohl dem vielleicht nicht so ist. Wir wissen ja nicht, wie viele Bücher und andere Unterlagen tatsächlich irgendwann entsorgt worden sind.
Dieses Kochbuch auf jeden Fall, bietet uns ein Abbild der Ernährungslage im 16. Jahrhundert in der Ostschweiz und wohl in ganz Mitteleuropa. Es ist anzunehmen, dass die erwähnten Lebensmittel damals zumindest theoretisch in unserem Raum verfügbar bzw. beschaffbar waren. Das Buch stammt offenbar aus der Küche des Bischofs von Chur und enthält 515 handschriftliche Rezepte auf Papier, das Ganze in Leder gebunden. Es konnten fünf unterschiedliche Handschriften ausgemacht werden. Die Rezeptsammlung wurde wohl über längere Zeit zusammengetragen und enthält Rezepte für alles, was damals gekocht und konserviert worden ist. Alles davon lässt sich auch heute Nachkochen. Die Rezepte bilden eine schier unerschöpfliche Quelle an Inspiration zum Kochen. Einige der verwendeten Kräuter und Gewürze sind allerdings nicht allgemein bekannt und bedürfen vielleicht etwas der Recherche. Aber das macht es doch umso spannender.
Es gibt übrigens ein noch älteres deutschsprachiges Kochbuch (wenn die Jahresangabe stimmt): «Fischbuch, Von der Natur und Eigenschafft der Vische, insonderheit derer so gefangen werdend im Bodensee und gemeinlich auch in anderen Seen….. «, Gregor Mangolt, Zürych 1557.
Es erschien 2015 als Transkription unter dem Titel «Das Fischbuch des Bodensees» und dokumentiert laut Beschreibung das damalige fischbiologische Wissen. Für mich geht es vielmehr in Richtung Kochbuch, haben doch die Hinweise zu den Fischen immer auch mit dem Verzehr zu tun (optimale Fangzeit, um sie zu essen, Fleischbeschaffenheit, Laichzeiten, Fastenzeiten, Verarbeitung/Kochen usw.). Auch dieses Buch ist bestimmt nicht das älteste. Die Menschen haben bereits lange vor 1557 Kochrezepte aufgeschrieben, auch in unserer Gegend.
Um auf die Cervelat zurückzukommen: Im Kochbuch der Caroline Kümicher von Konstanz von 1827 fand ich ein Rezept für «recht gute Würste», das den heutigen Cervelat-Rezepturen gleicht, mit dem Unterschied allerdings, dass neben Rindfleisch, Speck, Zwiebeln und Gewürzen, Sardellen und ein Hering dazugegeben wurde. Die Masse wurde zu Brät verarbeitet (von Hand im Mörser!) in Därme gefüllt und vier bis sechs Tage in den Rauch gehängt.
Ich wünsche nun allen einen schönen 1. August und en Guete bei Grillwürsten!
Walter Letsch
Ein schön Kochbuch 1559 – das älteste deutschsprachige Kochbuch der Schweiz
Gebunden, 488 Seiten
Verlag Desertina
Quellen und Forschung zur Bündner Geschichte: Band 36
Staatsarchiv Graubünden
ISBN 978-3-85637-502-7
Preis: CHF 45.–
Mehr zur Geschichte der Cervelat: Kulinarisches Erbe der Schweiz / Patriomoine culinaire suisse https://www.patrimoineculinaire.ch/Produkt/Cervelat-Cervelas/182